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MITTENDRIN STATT NUR DABEI

30 Schulklassen besuchten die Swiss Handicap 2022. PluSport-Botschafterinnen und -Botschafter führten die Kinder durch die Messe und zeigten ihnen, wie Menschen mit einer Behinderung ihren Alltag meistern und Sport treiben. Wir haben die 6. Primarschule aus Emmenbrücke bei ihrem Rundgang begleitet.

Publiziert am 5. Dezember 2022

Es ist laut in der Halle 3. Rund 480 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 6 und 15 Jahren wuseln herum. 17 PluSport-Botschafterinnen und -Botschafter stehen mit Schildern bereit, auf denen der Name eines Schulhauses und einer Klassenlehrperson steht. Der Botschafter Urs Kolly hält Ausschau nach der 6. Primarklasse des Schulhauses Meierhöfli aus Emmenbrücke. Der 55-jährige ehemalige Spitzensportler ist mehrfacher Medaillengewinner an Paralympischen Spielen in der Leichtathletik und arbeitet heute in seiner eigenen Käserei in St. Antoni im Kanton Freiburg. In seiner Freizeit engagiert er sich unter anderem als Botschafter bei PluSport, dem Dachverband und Kompetenzzentrum des schweizerischen Behindertensports.

BEGEGNUNG MIT EINER BEHINDERUNG

Nach einer kurzen Suchaktion steht die Klasse nun im Halbkreis vor Urs Kolly. Er stellt sich kurz vor und fragt dann in die Runde: «Welche Behinderungsarten kennt ihr?» Die Schülerinnen und Schüler antworten noch etwas zaghaft. «Und was ist eine Beinprothese?», fragt er weiter. Noch bevor die Kinder antworten können, steht Urs in kurzen Hosen da und seine Unterschenkelprothese ist gut sichtbar. Alle machen grosse Augen. Ohne Zurückhaltung hantiert Urs an seiner Prothese und zeigt, wie man sie an- und auszieht, erklärt, dass es unterschiedliche Füsse gibt und wie sich die Prothesen entwickelt haben. Die Kinder hören gespannt zu. «Eine solche Prothese habe ich noch nie gesehen. Hält die?», fragt der 12-jährige Albion. Zum Beweis schwingt Urs sein Bein kräftig von vorne nach hinten. Alle lachen.


«Durch die Selbsterfahrung werden Kinder auf verschiedene Behinderungen sensibilisiert und verlieren Berührungsängste.»

Urs Kolly, PluSport-Botschafter und ehemaliger Spitzensportler


HÜPFEND DAS EIS BRECHEN

Urs Kolly fordert die Kinder zu einem Wettkampf auf: Wer schafft es am schnellsten, eine Strecke nur auf einem Bein hüpfend zurückzulegen? Inzwischen hat Urs seine federnde Carbonprothese angezogen. «Auf die Plätze, fertig, los!» Es wird mit Eifer gehüpft, während Urs mit Leichtigkeit und einem Lachen im Gesicht allen Kindern davonhüpft. Der aufgestellte Freiburger erklärt ihnen, dass eine Prothese auch ganz viele Vorteile haben kann. Das Eis ist gebrochen und die anfängliche Schüchternheit der Kinder abgelegt. Sie belagern Urs Kolly mit Fragen: «Warum hast du dein Bein verloren?», «Tut es weh, eine Prothese zu tragen?»

HERAUSFORDERUNG BEINPROTHESE

Nun geht es in die Hallen 1 und 2 und somit an die Swiss Handicap. Urs führt die Kinder durch die Messe und erklärt, wie die ausgestellten Produkte den Alltag von Menschen mit einer Behinderung erleichtern. Am Stand der SSBL Stiftung für selbstbestimmtes und begleitetes Leben dürfen die Kinder ihre Sinne testen. Ausgerüstet mit Augenklappen müssen sie verschiedene Gegenstände und Materialien wie Tannenzapfen oder Rosmarin erkennen. «Ich getraue mich gar nicht, hinzufassen. Blind fühlt sich alles anders an», bemerkt Iva, 11 Jahre. Aktiv geht es weiter: Die einen dürfen Rollstuhlbasketball spielen, während sich Iva und Albion eine Beinprothese anziehen und damit einen Parcours absolvieren. «Das ist viel schwieriger, als es aussieht», sagt Albion angestrengt.

NACHHALTIGE SELBSTERFAHRUNG

Auf dem Rundgang durch die Swiss Handicap begegnet man immer wieder anderen Klassen. Es herrscht eine fröhliche Stimmung und überall wird ausprobiert. Die Offenheit der Botschafterinnen und Botschafter hat sich auf die Kinder übertragen, das spürt man deutlich. «Als PluSport-Botschafter wollen wir Behinderungen sichtbar machen und öffentlich für Integration einstehen. Solche Führungen mit Kindern sind sehr nachhaltig. Durch die Selbsterfahrung werden sie auf verschiedene Behinderungen sensibilisiert und verlieren Berührungsängste. Die Swiss Handicap ist dazu eine wunderbare Plattform», erklärt Urs Kolly.

VIEL GELERNT

Die Zeit vergeht viel zu schnell und schon ist der Vormittag vorbei. Alle Klassen treffen sich nochmals in der Halle 1 zum gemeinsamen Abschluss. Die vielen fröhlichen Gesichter lassen erahnen, dass es ein eindrückliches Erlebnis war, das Spass gemacht hat. Das findet auch Iva: «Es war spannend. Ich habe gelernt, dass man Menschen mit einer Behinderung ganz normal begegnen kann und auch seine Hilfe anbieten darf.» Eine positive Bilanz zieht auch die Klassenlehrerin Sara Gautschi: «Meine Klasse ist eine wilde Truppe. Ich war überrascht, wie fokussiert und neugierig alle waren. Es war eine tolle und bestimmt nachhaltige Erfahrung.»

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